Vorab ist es interessant zu sehen, wie Hertha BSC selbst den Berliner Weg beschreibt (Quelle: Nachhaltigkeitsbericht von Hertha BSC):
Wichtig ist aus meiner Sicht dabei, dass es nicht darum geht einen Weg zu beschreiben, der besser ist als in anderen Vereinen (darum macht m.E. ein Vergleich mit Freiburg o.ä. keinen Sinn), sondern eher um einen Strategiewechsel im Vergleich zur Führung unseres Vereins vor dem Sommer 2022, Stichwort Paradigmenwechsel.Die Bezeichnung „Berliner Weg“ für die grundlegende Neuausrichtung von Hertha BSC verwendete Kay Bernstein zum ersten Mal auf einer Pressekonferenz Anfang 2023. Die Herthanerinnen und Herthaner sowie die breite Öffentlichkeit verbanden damit intuitiv Rückbesinnung und Neuausrichtung zugleich. Sie nahmen diesen Begriff sofort positiv auf. Der „Berliner Weg“ steht für eine starke Identifikation mit Hertha BSC, die Bereitschaft mit vollem Einsatz die Ärmel hochzukrempeln, die Extra-Meile zu gehen und sich mit aufrichtiger Leidenschaft für den Club einzusetzen. Seitdem hat dieser Begriff eine starke Dynamik entwickelt.
Das sichtbarste Zeichen war der umfangreiche Einsatz von Spielern aus unserer Akademie, aber auch die Sanierung, Re-Strukturierung und Konsolidierung bildeten entscheidende und überlebensnotwendige Bestandteile unserer Neuausrichtung. Kay stand dabei exemplarisch für die Art und Weise, wie wir aus eigener Kraft diese Transformation gestalten. Durch sein Wirken wurde der „Berliner Weg“ zum Inbegriff des Paradigmenwechsels und Kulturwandels bei Hertha BSC.
Im Sommer 2023 arbeiteten wir mit ihm zusammen in clubinterner Runde den positiv aufgeladenen Begriff für uns weiter aus. Wir definierten dazu nötige Voraussetzungen, die sogenannten Prämissen, die uns den Weg aus der Krise aufzeigen. Das Fundament des „Berliner Weges“ ist für uns Demut im Denken und Handeln, die Nahbarkeit für alle Herthanerinnen und Herthaner, der Fokus auf unsere Kernkompetenz im Sport, die Wirtschaftlichkeit und Professionalität im Handeln unseres Clubs und das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. Diese Prämissen stellen sicher, dass Hertha BSC zukünftig sowohl sportlich als auch wirtschaftlich erfolgreich ist und gleichzeitig eine enge Verbindung zur Stadt Berlin und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern pflegt. Denn Hertha ist tief in Berlin verwurzelt und im Wesen untrennbar mit den Berlinerinnen und Berlinern verbunden. Im Anschluss passten wir auch
unsere sechs handlungsleitenden Werte den Prämissen entsprechend an.
Unsere Ausrichtung nimmt diese Prämissen auf und gestaltet die nachhaltige Aufstellung in unserem Kerngeschäft und allen weiteren Bereichen von Hertha BSC, um eine langfristig erfolgreiche Zukunft zu gewährleisten. Eine gute Club- und Unternehmensführung ist der zentrale Hebel, um unsere Verantwortung in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit wahrzunehmen. Ökonomische, ökologische und soziale Verbesserungen werden kontinuierlich in allen Direktionen des Clubs umgesetzt. Die skizzierte Ausrichtung zeigt damit die nächsten und zukünftigen
Schritte der konsequenten Umsetzung des „Berliner Weges“.
Ökonomie: Wir fokussieren uns auf sportliche Leistungen, wirtschaftliche Stabilität und starke Partnerschaften mit Schwerpunkt auf Berlin. Wir stärken den Club als modernen Arbeitgeber und fortschrittliche Organisation.
Ökologie: Wir verbessern unseren Fußabdruck durch geringere Umweltauswirkungen bei Infrastruktur, Gebäuden, Geschäfts- und Spieltagsbetrieb sowie Mobilität.
Soziales: Wir fördern und fordern Bildung und Werte für Kinder und Jugendliche, Vielfalt, Inklusion, Integration und soziales Engagement.
Den „Berliner Weg“ gehen wir nicht alleine – Erfolge im Fußball und der nachhaltigen Club- und Unternehmensführung sind Teamarbeit. Es braucht dafür alle: Unsere Spielerinnen und Spieler, unsere Mitarbeitenden, Mitglieder und Fans, aber insbesondere auch unsere Sponsoren, Partner und Dienstleister sowie soziale Organisationen der Zivilgesellschaft. Starke strategische Partnerschaften sind die Grundlage für Verbesserungen in allen Bereichen und Aktivitäten. Sie sind deshalb für uns ein zentraler Bestandteil einer guten Club- und Unternehmensführung.
Nur im Austausch und in Partnerschaften sind substanzielle Fortschritte in Ökonomie, Ökologie und Sozialem möglich.
Hertha BSC bekommt viel von Berlin und will nicht nur etwas zurückgeben, sondern mit unterschiedlichen Partnern dort ansetzen, wo zusammen langfristig etwas bewegt, bewirkt und verbessert werden kann. Berlin ist für uns Ursprung, Heimat, Herausforderung, Ressource und gleichzeitig Bühne: Denn Berlin ist vielfältig, groß, von Bezirk zu Bezirk, von Kiez zu Kiez unterschiedlich, laut, bunt, divers, arm, reich, unübersichtlich, international sichtbar und so vieles mehr. Unsere große und heterogene Anhängerschaft eröffnet Möglichkeiten, mit der Kommunikation von
wichtigen Themen und Anliegen in die Stadt hinein viele Menschen zu erreichen, auch die, die anderweitig nicht erreicht werden können oder wollen.
Manch einer ist der Ansicht - wie insbesondere heute wieder bayerschmidt und Herthafuxx - dass der Begriff sich nicht wirklich unterscheidet von Marketingclaims wie "Aus Berlin für Berlin", "We try, we fail, we win" oder "Die Zukunft gehört Berlin" abhebt, die allesamt Kampagnenslogans von teuer bezahlten Werbeagenturen waren. Andere wiederum können sich seit dessen Einführung endlich wieder komplett mit Hertha BSC identifizieren. Es gibt aber auch Mitglieder, die den Berliner Weg für so etwas wie das neue Testament der Klubgeschichte halten.
Ist der Berliner Weg wirklich eine hohle Phrase und steckt nichts besonderes dahinter, was es nicht auch in anderen Vereinen gibt?Wir haben in den vergangenen zwei Jahren gezeigt, wozu unser Club durch die neue Geschlossenheit und Ausrichtung in der Lage ist. Aus einer tiefen existenziellen Bedrohung ist die Hertha-Familie aufgestanden. Trotz des sportlichen Abstiegs konnte durch die Erneuerung im Bekenntnis zur zukunftsfähigen Nachhaltigkeit und dem „Berliner Weg“ eine neue Identität geschaffen werden, welche ein lange nicht da gewesenes Gemeinschaftsgefühl bei den Fans und Mitgliedern weckte.
Trotz und gerade in dieser für den Club so bedrohlichen Lage gelang es uns, das stärkste Mitgliederwachstum der Geschichte zu erzielen. Seit dem Abstieg sind es 10.000 neue Mitglieder. Seit Kays Wahl etwa 15.000. Die Fans strömten wieder ins Stadion, sorgten für neue Zuschauerrekorde und schufen eine besondere, vereinende Atmosphäre. Ungeachtet des sportlichen Abstiegs und der notwendigen enormen Einschnitte auf allen Ebenen trugen die Fans und das gesamte Stadion die Mannschaft und standen fest hinter ihr.
Oder ist es nicht vielmehr ein Konzept, das es braucht, damit dieser Verein überhaupt überleben kann und zu einer wirtschaftlich vernünftigen Zukunft kommen kann? Ich bin gespannt auf eure Beiträge...