Opa hat geschrieben: ↑08.04.2025, 08:39
Generell würde ich für normalvermögende und längerfristig orientierte (>10 Jahre) Sparer ohne Sondervorhaben (wie kurzfristige Immobilienanschaffung o.ä.) immer folgende Portfolioaufteilung zum Vermögensaufbau empfehlen:
20 % Nettoimmobilienvermögen (also Immobilienwert abzüglich Hypotheken)
40-50 % breit über Anlagestrategien, Märkte, Währungen und Branchen gestreute ETFs und Fonds
10-20 % Einzelaktien
10-20 % Cashpositionen
Zehn Jahre vor Eintritt in den Ruhestand sollte man anfangen, sich Gedanken über einen vermehrten Shift von Aktienvermögen in Cashpositionen und Anleihen machen. Und sich nicht verrückt machen lassen, weder von zockenden Glücksrittern, die mit ihren "ich hab drölfhundert Prozent Rendite mit XY gemacht" Erfolgen prahlen und dabei meist verschweigen, wo sie sich verzockt haben, noch von Miesepetern und Weltuntergangspropheten, die glauben, dass nun alles den Bach heruntergeht, obwohl die Fundamentaldaten etwas anderes sagen. Gier frisst Hirn und Angst isst Seele.
Das sind schon wichtige Hinweise, dazu vielleicht zwei Gedanken...
1) Das ist schon eine sinnvolle Anlagestrategie, aber das passt natürlich für Menschen, die über eine bestimmte Menge an finanziellen Ressourcen verfügen. Eine einfache rentenversicherungspflichtige Angestellte wird Schwierigkeiten bekommen, neben den Lebenshaltungskosten so breit zu streuen. Mir ist klar, dass du in Prozenten rechnest, und auch 100 Euro im Monat ist ein Invest, dass sich über die Jahre läppert. Aber Immobilienvermögen wird man damit nicht erwerben können und auch der Rest wir dann sehr kleinteilig. Bei mir stecken 90% in Immobilien, weil das war das Minimalinvest um da rein zu kommen und gleichzeitig das Maximalinvest, das mein "Portfolio" hergegeben hat, (als Arbeiterkind aus der Highdecksiedlung war da wenig Spielgeld vorhanden als Startkapital).
Kaum eine andere Aktivität erfordert so viel Eigenverantwortung wie Aktieninvestments.
2) In den letzten Jahren gab es ja eine regelrechte Popularisierung von Aktieninvests, insbesondere ETFs wurden ja selbst in Magazinen, wie Brigitte und der Apothekenrundschau als Allheilmittel für die Altersvorsorge gepriesen (und angesichts der Kursentwicklung der letzten Jahre und den geringen Zinsen auf Sparbüchern in Kombi mit steigender Inflation ist das ja auch nicht abwegig). Und der Tenor war idR ja fast, "ist wie ein Sparbuch, nur mit den vierfachen Erträgen", aber praktisch ein Nobrainer. Aber die Punkte von dir, dass es da ne Menge Eigenverantwortung braucht, einen gewissen Langmut, definitiv genügend diversifizierte finanzielle Sicherheitsschirme, damit man eben nicht am 7.4.25 seinen MSCI-World verkaufen muss, weil die Mama ne Pflegerin braucht, die man bezahlen muss oder irgendwas Anderes aus der Kategorie life happens), die sind schon sehr zentral. Und da gibt es im Bereich finanzielle Bildung ein erhebliches Defizit, nicht nur in Deutschland, und v.a. mit den asozialen Medien, die ja die No-1-Informationsquelle der nachkommenden Generationen sind, leider auch ein ansteigendes Grundrauschen an fake Investment-News, die in immer überzeugenderer Verpackung immer mehr Quatsch verbreiten können. So langweilige Empfehlungen wie deine Gähnkacke da oben, die klickt glaub ich auf TikTok nicht gut.
neben den Fundamentaldaten (die so schlecht nicht sind) die Fähigkeit der Märkte entscheidend ist, sich innerhalb kurzer Zeit den neuen Gegebenheiten anzupassen. Derzeit sehr fragile Lieferketten werden dadurch übrigens resilienter werden.
3) Du hast insgesamt schon Recht, zumindest im Rückblick auf die letzten Jahrzehnte sind Aktien immer weiter gestiegen. Die Frage ist, ob diese doch sehr spezielle Situation, also dass sich gerade die beiden mächtigsten Handelspartner der Welt ineinander verhaken, nicht etwas anders ist als so etwas wie die dips durch die Coronakrise zB. Das kann sich in 2 Wochen auflösen, immerhin waren ja den Republikanern bisher die Aktienmärkte immer ein entscheidender Gradmesser für den Erfolg einer Regierung. Kann aber auch für einen deutlich längeren Zeitraum gehen, und das kann ja durchaus ein sich selbst verstärkender Regelkreis werden.
Und auch wenn in der Theorie Lieferketten resilienter werden, kann das dauern. Insbesondere die Abhängigkeit der Welt (und auch der USA) von Halbleiterprodukten aus Fernost lässt sich sicher nicht so schnell lösen, und die Top-9-Positionen im MSCI-World sind allesamt erheblich von dieser Lieferkette abhängig.
Ich verstehe absolut deine Position, dass hysterische Panik bei Kursschwankungen nicht angebracht ist bei einem Produkt, das bislang nicht enttäuscht hat und ohnehin nicht von Tag zu Tag bewertet wird. Zumal das gestern ja auch gar nicht so dramatisch ausfiel am Ende des Tages. Aber ob sich die Geschichte der Aktienmärkte so positiv fortschreibt, das ist - ich weiß auch ne Binse - natürlich keine Ausgemachte Sache.