In dieser enttäuschenden Zeit liegt es sicher nahe, dass der Kopf des Trainers gefordert wird. Allerdings: In der Politik würde man es vermutlich "Populismus" nennen, wenn für die Lösung komplexer, struktureller Problemlagen allein der Regierungschef verantwortlich gemacht würde. Übertragen auf die Verhältnisse bei uns gilt das um so mehr, als wir seit dem kurzen Höhenflug unter Lucien Favre, in knapp 15 Jahren
gefühlt 25 Trainerwechsel vollzogen haben, nur um allzuoft nach kurzer Zeit festzustellen, dass DER aktuelle auch wieder eine "Vollkatastrophe" ist. Das mag hin und wieder zugetroffen haben, aber nach meiner Beobachtung nicht generell.
Man muss - angesichts der DauerStagnation - den Mut haben und mal die Konstruktion und eben nicht nur den angestellten Fußballlehrer infrage zu stellen. Denn letzteres ist m.E. klassische "Dünnbrettbohrerei".
Ich finde, man muss zuerst beantworten, ob Fiel mit diesem Kader, die vom Verein vorgegebenen Ziele objektiv überhaupt erreichen KANN. Und aus dem Bauch heraus würde man erstmal sagen JA!! Wir haben eine relativ teure Mannschaft, auch einige hervorrgende Einzelspieler - Reese, Sherhant, Maza, Kenny, Zeefuik. Aber: Wenn Reese nicht da ist, fehlt der Einpeitscher. Für dessen Mentalität gibt es schlichtweg keinen Ersatz. Mein Eindruck ist, daß wir auch zuviele mentale Mitläufer haben und das wiederum heißt, dass die legendäre "Chemie" in der Mannschaft nicht stimmt. Vielleicht kann sie das bei Großstadt-Traditionsvereinen auch nicht. Zuviele Ansprüche, zuviele naßforsche Parolen und "heiße Tipps" von fußballerisch halbgebildeter und halbelitärer Halbprominenz, werden auf ein Team - incl. Trainer - projiziert, das aber auch nur aus Menschen besteht und das sich allein auf seinen Sport konzentrieren MUSS, um aus der Summe seiner Teile ein schlagkräftiges Ganzes zu machen. Der aktuell erfolgreiche Gegenentwurf läuft derweil 100 Kilometer spreeaufwärts in Cottbus, wo ein Aufstiegsteam - das "billigste" der 3.Liga - auf dem ersten Platz steht und beeindruckenden "Power-Fußball" spielt . Der Schlüssel für deren Erfolg ist nach meiner Überzeugung: Die "Chemie" im Team. Ich beobachte die schon seit Jahren sehr wohlwollend und wie sie nach alljährlichen personellen Aderlässen immer wieder eine wettbewerbsfähige, engagierte Truppe zusammenstellen konnten. Mit 10% der Summe die wir in den letzten Jahren verbraten haben, würden die vermutlich Champions League spielen. Von solchen Beispielen müssen wir zumindest bereit sein zu lernen und versuchen, das POSITIVE auf unsere Verhältnsse anzuwenden.
Allerdings: Der Verlust von Kai Bernstein wiegt hier schwer, denn auch wenn seine Erbe von der aktuellen Vereinsführung wie eine Monstranz vor sich hergetragen wird. Sein Herzblut ist unersetzlich. Auch wenn er ein Laie war, hatte er - das ist meine persönliche Meinung - das richtige Gefühl, für die Situation und eine Vision für das, was sich ändern muss. Aber er hatte kaum Zeit, sein Werk überhaupt erst richtig zu beginnen.
Kurzum: Den Trainer rauszuschmeißen ist mir zu einfach .. weil es mit seinem Nachfolger aufgrund struktureller Mängel im Verein Hertha BSC und in der Mannschaft auch nicht besser werden dürfte. Die traurige Erfahrung hat das immer wieder bewiesen.
Anstatt den Trainer zu diffamieren (das ist etwas anderes als konstruktive Kritik) , sollten wir uns mal überlegen, ob es nicht zielführendere Maßnahmen gibt, um unserem Verein sowohl KURZ- als auch LANGFRISTIG zu Glanz zu verhelfen.
