Eine sehr interessante Einschätzung von diesem User zu Hütter. Hört sich so an, als wenn dieser Fan sehr nah an der Basis ist.ramos28 hat geschrieben: ↑14.05.2022, 10:03Von einem Frankfurter aus dem tm Forum:
Hallo zusammen,
ihr führt hier eine sehr interessante Diskussion und @BerlinerSC92 hat einige interessante Thesen in den Raum gestellt.
Ich versuche euch mal eine Einschätzung eines Frankfurters zu geben und das so weit es geht losgelöst von seinem Abgang.
Warum es mit Hütter in Gladbach nicht funktioniert, dass werden wir vermutlich nie abschließend bewerten können. Da wird er seinen Anteil daran haben, aber wenn man all die Störgeräusche mit einbezieht, dann bekommt man das Gefühl, dass in dieser Saison selbst Klopp, Tuchel oder Guardiola nicht hätten ruhig arbeiten können und Probleme bekommen könnten.
Hütter war drei Jahre in Frankfurt, hat Hochs und Tiefs erlebt und man hat zumindest seine Arbeit ganz gut kennen gelernt.
Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass er keine jungen Spieler entwickelt. Das ist nachweisbar falsch! Wenn man sieht, auf wieviel Einsatzzeit in Gladbach Kone, Netz, Scally oder Beyer kommen, oder bei Frankfurt Ndicka, Tuta, Jovic und und und, dann kann davon keine Rede sein, dass er nicht auf junge Talente setzt. Was man nicht erwarten darf ist, dass er Jugend forscht implementiert und mit elf A-Jugend Spielern auflaufen wird. Aber er scheut sich nicht davor auf junge Talente zu setzen und Diese zu fördern.
Seine taktische Inflexibilität wird ebenfalls immer wieder thematisiert. Angefangen hat es bei seiner Verpflichtung, wo es hieß, man müsse noch Spieler holen, damit man ein 4-4-2 spielen könnte, weil das Hütters Meisterformation in Bern war. Zunächst spielte er mit einem 4-2-3-1, ging über in ein 5-1-2-2, entwickelte sich zu einem 5-2-1-2, wurde dann zu einem 5-2-2-1. Die letzten Veränderungen klingen marginal, änderten aber von Entwicklung zu Entwicklung die Statik des Spiels komplett. Im 5-2-2-1 spielte man auch kein Pressing (zumindest nicht mehr als alle anderen auch), sondern spielte echt einen sauberen und kontrollierten Ball. Hütter probiert sich lange Zeit an einer Idee aus, das kann man ihm als Sturheit auslegen, aber zumindest in Frankfurt hat er seine Ideen adaptiert und weiterentwickelt, je nach Personal was er zur Verfügung hatte. Diese Entwicklung kann man auch sportlich betrachten. Unter ihm stand man immer auf einem einstelligen Tabellenplatz in der Endabrechnung, erreichte einmal das Europacup Halbfinale und qualifizierte sich fast für die Champions League.
Was die Aufstellungen angeht, ja da ist er stur. Er lässt Spieler nicht so schnell fallen und bietet sie trotz schlechter Leistungen wieder auf. Laut ihm um die Spieler zu schützen und zu unterstützen. Da kann jeder für sich entscheiden, ob man das als edel oder als riskant bezeichnen möchte.
Was allerdings wirklich übel ist, sind seine Wechsel, die gefühlt immer erst fünf Minuten vor Ende stattfinden.
In diesen beiden Bereichen ist er leider doch recht stur.
In Gladbach durfte man oft lesen, aufgrund seiner Art erreiche er die Spieler nicht. Den Punkt kann ich am wenigsten verstehen. Ja, er wirkt distanziert und autoritär. Aber in Frankfurt hat er es geschafft eine Einheit zu formen und das aus angeblichen Problemprofis wie Kostic, Rebic, Hinteregger und Konsorten. Davon profitiert die Eintracht heute noch. Das war auch schon unter Kovac ein dickes Faustpfand, aber unter Hütter war das keinen Deut schlechter, wenn nicht sogar noch stärker. Das ist für mich ein Indiz, dass es in der Gladbacher Mannschaft nicht stimmen kann. Denn bis auf einen Disput mit Younes gab es kaum Störfeuer in der Mannschaft. Das Einzige, was man vielleicht nicht außer Acht lassen darf ist ein möglicher Verlust seiner Glaubwürdigkeit, durch seine "Ich bleibe" Aussage. In wie weit das bei Spielern im Hinterkopf stecken kann, das werden wir aber wohl nie erfahren.
Seine Abwehrschwäche... Nunja, die ist verbrieft. Gefühlt hatte die Eintracht unter ihm jede Saison die meisten Gegentore in der oberen Tabellenhälfte. Er ließ eher nach dem Credo "solange man drei Tore schießt kann man auch zwei bekommen" spielen. Die Spiele waren oft Spektakel mit vielen Toren. Man kann sagen, es hat zumindest Spaß gemacht dem zuzuschauen.
In Frankfurt gab es nicht eine Saison Probleme mit der Fitness, im Gegenteil, Es gab echt viele Spiele, in denen man kurz vor Schluss noch traf. Das spricht sowohl für eine körperliche, als auch für eine geistige Frische. Das ist wieder ein Punkt den ich bei Gladbach nicht verstehe. Entweder hat Hütter die Situation unterschätzt, und/oder die Spieler haben nicht richtig mitgezogen. Aber wie gesagt, bei uns war das nie ein Problem.
Eine Sache, die in eurem Forum nicht wirklich thematisiert wurde ist seine aalglatte und Art.
Seine Interviews waren oft so nichtssagend, dass es einen fast in den Wahnsinn getrieben hat. Dauernd wich er Fragen aus, er ließ sich gar nicht in die Karten schauen, Emotionen zeigte er nur, wenn er angegriffen wurde, da war er tatsächlich zuweilen sehr dünnhäutig. Aber die Interviews gingen echt gar nicht. Wenn man sich das erste Spieltagsinterview anhört, dann hat man eine Blaupause für die folgenden 33 Spieltage... ein Graus!
Was man nicht verheimlichen darf ist, dass Hütter in Frankfurt in jeder Saison ein Tief hatte, das mehrere Spieltage anhielt. Er stand sogar mehrfach auf der Kippe. Trotz allem schaffte er es die Mannschaft konstant in den einstelligen Tabellenregionen zu halten und sich in den drei Jahren zwei mal für das internationale Geschäft zu qualifizieren. Das ist für einen Verein wie Frankfurt eine sehr gute Leistung, wenn man bedenkt wo man her kommt. Also trotz Tiefs wurden gute Ergebnisse erzielt. Das ist auch eine Leistung!
Eine persönliche Note von mir: Ich halte Hütter für einen guten Trainer, vermutlich wäre er der Beste seit Favre, wenn ihr ihn bekommen würdet. Ich war zwar auch sauer, aufgrund seines Abgangs, habe aber meinen Frieden geschlossen, als man Glasner verpflichtet hat, weil ich ihn für den stärkeren Coach hielt und halte.
Trotz allem gehört Hütter mMn. grundsätzlich zu den besseren Bundesligatrainern, der mit Ausnahme von Gladbach auf jeder seiner Stationen große Erfolge gefeiert hat, eine Mannschaft kurz- und mittelfristig zusammenschweißen und entwickeln kann und in Berlin mit Bobic und Staff eine Umgebung vorfinden würde, die er schon kennt, was das ankommen erleichtern würde.
Man darf jetzt nicht den Fehler machen, Hütter zu verkennen, weil er in Gladbach in einem unruhigen Umfeld mit einer mMn. kaputten Mannschaft nicht direkt funktioniert hat. Seine Erfolge in seiner Trainerkarriere sprechen für ihn.
Sollte es so kommen, dann kann man euch nur beglückwünsche einen fähigen Trainer zu bekommen, auch wenn seine Reputation momentan etwas leidet.
Euch allen ein schönes Wochenende und viel Erfolg am Wochenende.
Und ich denke auch dass wir uns beglückwünschen könnten, wenn Bobic den hierher lotsen kann.
