Ray hat geschrieben: ↑16.09.2019, 15:38
Da hast Du vollkommen Recht.
Runter komme ich bei Qi Gong, Sport oder Saunieren.
Ich habe geschrieben, dass Du seelisch entspannen sollst. Dazu musst Du eine Reise ins Innere Deiner selbst antreten und da kommst Du nicht mit Qi Gong, Sport und Saunieren hin. Wenn Du schreibst: "das ist eben eine gewisse Hoffnungslosigkeit, die ich gerne höre. Da fühlt man sich nicht allein.", dann kann man daraus und auch aus der Art und Weise Deiner Diskussionsführung Deine emotionale Spannung ablesen und da hast Du ganz heftige Ausschläge.
Du sprichst von Melancholie und gleichzeitig von Hoffnungslosigkeit. Hoffnungslosigkeit ist aber ein Ausdruck von Depression. Man könnte sagen, Depression ist Melancholie + Aggression. So handelt der Depressive, der sich selbst tötet, aggressiv gegen sich selbst. Die Aggression kann sich aber nach außen richten. So ist unsere heutige Gesellschaft ein starkes Abbild einer Depression, die daraus resultiert, dass es kein Weltbild mehr gibt, das den Menschen den Weg weist und entsprechend aggressiv ist die Stimmung.
Die emotionale Spannung, der jeder Mensch unterliegt, drückt sich entsprechend seiner Sozialisierung und seiner Kultur auch in seinem Musikgeschmack aus.
Wie haben sich denn damals in der Jugend von der Zauberdrachin und mir die Jugendkulturen entwickelt, was waren die Ursachen?
Zunächst gab es in England, wie auch bei uns die großen Entlassungswellen. Da hörte man fast jeden Tag in den Nachrichten von Massenentlassungen in der Montan- oder Automobilindustrie. Ganze Wirtschaftszweige brachen zusammen, wie z.B. die Textilproduktion, die ins Ausland ausgelagert wurde.
Unter diesem Druck sind dann auch viele Familien zerstört worden, weil die Einkommen zusammenbrachen, der Lebensstil nicht aufrecht erhalten werden konnte oder alte Familienstrukturen aufbrachen, weil der Mann plötzlich zuhause war und damit der Glaube an die Familie an sich.
Dann gerieten auch noch die Weltbilder ganz massiv ins Wanken, denn der Sozialismus entwickelte sich von einer Hoffnung zu einem Horror und der Glaube an Gott wurde absurd.
Und schließlich wirkte dann auch noch der ständig drohende Atomkrieg.
Darauf haben die Judendlichen völlig unterschiedlich reagiert, oft eben auch dadurch beeinflusst, wie sehr sie von den Entwicklungen betroffen waren. Da hattest Du eben die Punks, die sich gegenüber der Gesellschaft zu Totalverweigerern entwickelten (no hope, no future), während die Skins eher nach einem Schuldigen suchten (oft eben den Ausländer, der den Job bekam, den man selber nicht mehr hatte). Beide Jugendbewegungen geprägt von hoher Aggressivität. Dann hattest Du die Gruftis, die sich eben dem Weltschmerz und der Hoffnungslosigkeit hingaben und sehr defensiv waren.
Die Rocker und die Hippies sind zwei Jugendbewegungen, die früher entstanden sind. Die Rocker kamen aus dem Proletariat, aber eben aus dem Proletariat, das Arbeit hatte, jedoch auch eine entsprechende Aggressivität empfand, durch seine Unterprivilegierung bzw. die gesellschaftlichen Regeln, durch die sie sich eingeengt fühlten. Aber durch die relative wirtschaftliche Sicherheit, war ihre Aggressivität nicht so stark politisiert.
Die Hippies hingegen waren die gesellschaftlich am breitesten aufgestellt Jugendbewegung, denn dem Wunsch nach Frieden konnten die meisten Menschen nachvollziehen.
Warum erzähle ich Dir das bzw. den jungen Menschen, die hier vielleicht mitlesen und denen diese Umstände nicht bewusst sind?
Nun, nachdem 1982 der NATO-Doppelbeschluss durchgesetzt wurde und die Friedensbewegung damit versagt hatte, kam eine neue Jugendbewegung auf, die von allen Jugendbewegungen den maßgeblichsten Einfluss hatte, auch wenn sie heute kaum einer mehr auf dem Schirm hat und das waren die Popper. Die hörten Heaven 17, Roxy Music oder Scritti Politti. Sie entstammten den gesellschaftlichen Schichten, die beruflich gesichert waren, aber ebenfalls von der Depression erfasst wurden. Sie schlugen einen anderen Weg ein. Ihr Motto war, wenn die Welt schon untergeht, dann wollen wir Spass haben und das Leben genießen, sprich, konsumieren.
Diese Jugendbewegung hat nur ganz kurze Zeit existiert, weil sie zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen wurde, die später als die "Generation Golf" bezeichnet wurde und die heute den größten Teil der Gesellschaft darstellt. Geprägt von Oberflächlichkeit, auf Konsum getrimmt. Wenn Du von Gucci-Normalos sprichst, die David Guetta hören, dann sprichst Du von genau den Leuten und vermeinst Dich von ihnen abzuheben, weil Du 'melancholische' Musik hörst.
Tatsächlich unterstützt Du einen Christian Lindner, der die Generation Golf wie kaum ein anderer versinnbildlicht und die neo-liberalen Positionen, die es Pharmakonzernen erlauben keine Antibiotika mehr zu entwickeln, weil die Gewinnmargen zu gering sind. Stellt sich die Frage, ob Dein Musikgeschmack nur ein Alibi ist, mit dem Du versuchst Dich abzugrenzen oder ob er Deine innere Zerissenheit widerspiegelt, weil Du eben auch weißt, dass das so nicht funktioniert.
Letzten Endes bist Du auch nur dem Konsum verfallen, egal wie sehr Du Dich danach sehnst, Dich abzugrenzen.
Schließlich: Kennst Du meine Plattensammlung? Ich bin sehr breit augestellt, da wird auch jemand wie Du unter Garantie fündig. Nur mal um auf Deine Beispiele einzugehen:
Pet Shop Boys - Actually, Nightlife, Pop Art, Very
Mike Oldfield - Amarok, Crises, Elements, Five Miles Out, Heaven's Open, Hergest Ridge, Ommadawn, Platinum, Tubular Bells II
Joy Division - nichts
The Smiths - Meat Is Murder
Also komm mal runter von Deinem hohen Ross, von wegen, die anderen haben so einen schlechten Musikgeschmack und nur Du nicht.
Wenn ich die Zauberdrachin necke, dann brauchst gerade Du, der sie so oft heftig angeht, sich nicht schützend vor sie zu stellen. Das machen wir beide von Lady zu Gentleman schon untereinander aus.
Schließlich gibt es keinen anständigen Hippie, der nicht Led Zepplin hört.
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