Opa hat geschrieben: ↑28.06.2022, 21:11
Die Debatte um die Wahl scheint mir ein Fingerzeig zu sein, wie desaströs es in Wahrheit um den Verein und um das Demokratieverständnis einiger steht. Dass sowohl der Vorgänger von Bernstein als auch in anderen Vereinen deren Vorsitzende mit z.T. noch geringerem Quorum gewählt werden, scheint vorher niemanden gestört zu haben, erst als das Ergebnis einem nicht in den Kram passte, wird Stimmung dagegen gemacht? Ich finde das unredlich.
Dass sich als Kandidaten "nur" Bernstein und Steffel finden ließen (Außenseiter mal außen vor), sollte doch als Zeichen zudem deutlich genug zeigen, dass die Zahl derer, die sich an der heißen Kartoffel Hertha die Hände verbrennen wollen, sehr überschaubar ist. Und wenn man Steffel das AMt zutraut, kann man es Bernstein auch zutrauen und für mich persönlich war bei dieser Wahl der Sieger auch das kleinere Übel. Gewonnen haben am Ende diejenigen, die auch schon in der Vergangenheit wussten, wie man Mehrheiten organisiert. So weit weg von alten Seilschaften ist das ergänzte Präsidium nämlich nicht.
Ich sehe die Chance, dass es etwas familiärer und mit mehr Nestwärme zugeht bei Hertha, etwas, was viele Fans bislang schmerzlich vermisst haben. Dass die Fraktion der Ewigunzufriedenen, die stets und ständig Hertha fälschlicherweise als regelmäßigen Teilnehmer in der Champions League verorten, damit nichts oder nur wenig am Hut hat, ist dabei ein hinzunehmender Nebenaspekt. Was lässt diejenigen eigentlich glauben, dass unter einem Präsidenten Steffel das besser gelaufen wäre? Der Mann hat sich 2009 mit unfassbar schwachsinnigen Forderungen hervorgetan, wie Herthas Abstieg noch zu retten wäre, was von Realitäten sehr viel weiter entfernt war als der Bernsteinsche Stadionticketplan, der sich vermutlich eher an den faktischen Realitäten der letzten Jahre orientiert. An einem neblig-kalten Mittwoch Abend gegen Hoffenheim kann man froh sein, wenn von den 25.000 Zuschauern sich wenigstens ein paar ein Heißgetränk kaufen. Defizitär ist das so oder so und die Umstände kann der Präsident genauso wenig ändern wie er Tore schießen wird.
Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich mir andere Kandidaten gewünscht hätte, aber ich wünsche dem neu gewählten Präsidenten und seinem Team gutes Gelingen. Schlimmer als bisher geht es auch kaum. Die Messlatte ist ja nicht sonderlich hoch im Gegensatz zu der, an der sich sein Vorgänger messen lassen musste und regelmäßig gescheitert ist.
Im wesentlichen kann ich mit dieser sachlich vorgetragenen Meinung leben.
Eines ergänze ich aber: Leute wie ich wollen Hertha nicht zwangsläufig als "regelmäßigen Teilnehmer in der Champions League". Das ist absoluter Käse.
Ich und in diesem Punkt ähnlich denkende wollen:
- ansehnlichen, zeitgemäßen Fußball,
- gelegentlich mal wirklich ne dicke Einnahme, so wie es mittlerweile selbst Union im Halbjahrestakt hinbekommt,
- eine gewisse Ambitioniertheit ohne völlig am Rad zu drehen ("müssen sehen wo wir herkommen" war genauso endbescheuert wie "größte Aufholjagd ... jemals gesehen"
- einigermaßen ehrliche Kommunikation (die alten Seilschaften haben gelogen und Versprechen gebrochen bis sich die Balken biegen)
- Wirtschaftlichkeit, finanzielle Transparenz, Erkennbarkeit der Entschuldung und schwarzen Null, finanzielle Nachhaltigkeit
- Personen als Vereinsvertreter (Trainer, Spieler...), für deren mediale Worte man sich nicht in Grund und Boden schämen muss
Erfolg kommt, wenn man akribisch und nachhaltig arbeitet, von allein, CL wird es jedoch NIE werden. Kein Problem, wenn man irgendetwas fühlt. So etwas was Unioner und Frankfurter letzte Saison gefühlt haben, so einen geilen Rausch, das kann auch am Ende kein ganz großes Ding sein, aber irgendeinen Rausch, der etwas anderes ist als Zittern, Schämen, knapp retten und Aufforderung von oben, doch die Klappe zu halten, Etatablierung erreicht.
Alles drumherum ist mir vollkommen schnuppe. Ob es Bio-Bier für 11,90 gibt oder Schulle-Plörre, ob diejenigen, die uuuunbedingt wöhrend ausgerechnet der 90 Spielminuten irgendeinen Cateringfraß essen müssen, ne halbe Stunde anstehen müssen oder nicht, interessiert mich nicht. Da sollen sie machen was sie wollen, Wurtomaten hinstellen oder Stadionfraß komplett abschaffen -> tangiert mich nicht.
Am Ende wird immer die Freiheit siegen. Aber nicht die Junge.