@Atze: Abgesehen davon, dass ich Deine Meinung teile, dass die vermeintliche Skandalhöhe überschaubar ist: Es ist nicht ganz richtig, dass die AfD einen steuerfinanzierten Staatsrundfunk installieren will. Kleiner Faktencheck, was in den Wahlprogrammen der letzten Bundestagswahl zum Thema ÖR stand:
Die
AfD forderte:
Der gegenwärtige öffentlich-rechtliche Rundfunk wird durch Zwangsbeiträge finanziert, ist mit einem Jahresbud- get von über neun Milliarden Euro viel zu teuer und wird in einer Weise von der Politik dominiert, die einer Demokratie unwürdig erscheint. Die AfD setzt sich dafür ein, die Rund- funkanstalten grundlegend zu reformieren.
Der Rundfunkbeitrag ist abzuschaffen, damit in Zukunft jeder Bürger selbst und frei entscheiden kann, ob er das öffentlich-rechtliche Angebot empfangen und bezahlen will.
Der neue Bürgerrundfunk soll ein schlankes Medium sein, welches sich auf objektive Berichterstattung sowie kulturelle und bildende Inhalte fokussiert. Das Angebot wird über- wiegend verschlüsselt/passwortgeschützt, sodass nur noch freiwillige Zahler Zugang haben. Um den Einfluss der Politik – egal welcher Ausrichtung – zu reduzieren, sollen insbeson- dere die gesellschaftlichen Vertreter in den Kontroll- gremien durch freie und demokratische Wahlen vom Bürger bestimmt werden.
Vergleicht man das mit den Forderungen anderer Parteien, gibt's allerdings da wenig zu skandalisieren:
Die FDP forderte z.B. im
Wahlprogramm:
Wir Freie Demokraten fordern eine Neudefinition des Auftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, verbunden mit einer Verschlankung. Die Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler sollen aber keine Doppelstrukturen finanzieren, wie sie bei 60 eigenständigen Hörfunkprogrammen unvermeidbar und bei sich ähnelnden Sendungen im Fernsehen offenkundig sind. Deshalb wollen wir eine grundlegende Modernisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorantreiben, die sich in der Struktur und dem Angebot an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, die ihn bezahlen. Wir fordern eine Refokussierung auf die Themen Bildung, Kultur und Information. Dazu gehört auch, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Möglichkeit gelassen werden muss, eigen- und auftragsproduzierte Inhalte länger in den Mediatheken vorzuhalten, sofern dafür die Rechte vorhanden sind und angemessen vergütet werden. Über eine Präzisierung des Grundversorgungsauftrages mit Fokus auf Public-Value und eine klare Aufgabenbeschreibung möchte die FDP erreichen, dass der Rundfunkbeitrag nicht nur stabil bleibt, sondern mittelfristig auch auf die Hälfte gesenkt werden kann.
Das ist im Grunde sehr ähnlich zu dem, was die AfD fordert (die programmatisch sowieso sehr viele Parallelen mit der FDP hat) ein klein wenig AfD light so nach dem Motto: "Wir stehen zu einem klaren Vielleicht", passend zum inhaltsarmen "Digitalisierung first, Bedenken second" Modelwahlkampf von Lindner.
Die
SPD hat wie die
UNion viel Wischiwaschi, Linke und Grüne fordern weitgehend den Erhalt des Status Quo. Die AfD eckt hier, wenn überhaupt nur dadurch an, dass sie überhaupt eine Haltung zu dem Thema hat. Ich finde das bloße Vorhandensein von Angriffsfläche aber noch keinen Grund, das inhaltlich in Frage zu stellen. Die AfD bedient hier aber etwas, was die anderen Parteien aus den Augen verloren haben: Populismus, der in der Demokratie nun mal wichtig ist. Keiner freut sich über die Abbuchung der 52,50 € zur Quartalsmitte und eine Institution, die von Zwangsgebühren finanziert wird, steht naturgegeben unter einem stärkeren Fokus als all diese Spartensender, die man zwar als ähnlich überflüssig ansehen kann, aber die man nur indirekt (und ebenso ungefragt) via Werbeanteil in Waren und Dienstleistungen mitfinanziert.
An diesem Punkt sieht man übrigens, dass die AfD als "echte Opposition" tatsächlich einen wichtigen Beitrag zu mehr Demokratie leisten kann, denn inhaltlich gäbe es tatsächlich wieder einen Kondensationskern, von dem aus man wieder zu einer echten Debattenkultur zurückkommen könnte. Leider füllt die AfD diesen Raum bei nahezu jeder sich bietenden Gelegenheit mit "die Flüchtlinge sind schuld", während die etablierten Parteien eine Wagenburg bilden, an der ein Schild hängt "Wir spielen nicht mit Nazis". Beide Seiten verunmöglichen damit eine Debatte. Die Folge daraus ist allerdings, dass mehr und mehr Menschen für Populismus anfällig werden, denn diesbezüglich haben die Volksparteien schon vor längerer Zeit Insolvenz angemeldet. Früher hat z.B. die SPD einen Markenkern gehabt, der sich für den Industriestandort Deutschland mit gutbezahlten Facharbeitern eingesetzt hat, was in Kombination mit einer gemäßigt-liberalen Programmatik durchaus populär war. Davon scheint mir kaum mehr etwas übrig zu sein. Die beiden Flügel der Partei, die "rechten Sozen" und die, die nicht zur SED wechseln wollten, neutralisieren sich in lähmender Form, was dann noch übrig bleibt, wird "weggemerkelt", die wiederum einen massiven Flurschaden im konservativen Lager hinterlässt.
Die Bilanz von Merkels Regierungszeit liest sich somit eher wie ein Schreckensszenario, als würde die politische Linke das Land regieren: Raus aus der Atomkraft, Banken mit Steuergeldern gerettet, Euro mit deutschen Steuergeldern gerettet, mehr als eine Millionen Flüchtlinge ins Land geholt, Wehrpflicht abgeschafft, Homoehe eingeführt... (wer da von einem Rechtsruck faselt, scheint nicht mehr ganz bei Trost zu sein). Das macht die AfD auch stark. Die AfD ist das Produkt des Versagens beider Volksparteien, die dieses Label beide nicht mehr verdient haben, die Sozen noch weniger als die Union, die sich zuletzt in einem Zustand zeigte, dass die AfD den Wahlkampf einstellen kann. Trotz Seehofers Gepolter und Scharfmacher Söder als Ministerpräsident wird die AfD in Bayern zweitstärkste Partei werden. Das zeigt, dass der konservative Markenkern der Union bereits nachhaltig zur AfD gewandert ist.
Für die Zukunft bedeutet das, dass es theoretisch wieder "Lager" geben könnte, in extremer Form dann eben in Form von möglichen Koalitionen wie bürgerlich-konservativ mit Union, AfD und FDP auf der einen Seite und Sozen, Linken und Grünen auf der anderen Seite. Derzeit realistischer sind "Regierungen der Mitte" mit Union, FDP, Sozen und Grünen, zur Not alle vier zusammen, was aber die Ränder auf beiden Seiten stärken würde, weshalb ich das nicht nur arithmetisch nur als Übergangslösung ansehe. Die GroKo ist tot und schleppt sich unwürdig durch die Abschiedsvorstellung.
Am konkreten Beispiel zeigt sich zudem, dass die Diskussion mit AfD Anhängern in soclhen Punkten wie angeblichen Skandalen inhaltlich leichter zu bewerkstelligen ist als wenn man sich mit der Programmatik befasst, denn das AfD Programm ist voll mit sehr, sehr vielen, beinahe basisdemokratischen Ideen, weshalb das Label "Nazipartei" halt auch einigermaßen absurd ist, wenn auch Teile der Repräsentanten nicht zu Unrecht dieses Label tragen und mit Nazi-Symbolik versuchen, Tabugrenzen zu überschreiten. Dennoch holen die derzeit in Umfragen 17 %, die man nicht einfach ignorieren kann und viel wichtiger, die nicht mehr ignoriert werden wollen und daher für Teile der Programmatik empfänglich sind. Und so lange keiner elementare Grundfesten unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung beseitigen will, halte ich es auch für geboten, sich mit demjenigen inhaltlich auseinanderzusetzen. Die Versorgung von ein paar tausend Redakteuren in den öffentlich rechtlichen Sendeanstaten, die ein Großteil des Budgets auffressen, ist keine Grundfeste der freiheitlich denokratische Grundordnung, im Gegensatz zu einem elementaren Bildungs- und Informationsauftrag, dem man auch ohne Volksmusikfeste, Helenefischershows oder Fußball erfüllen kann. Lasst uns den Mut haben, diese Diskussion zu führen.