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von MikeSpring » 17.04.2019, 15:42
Ich denke da ist schon etwas dabei. Hat man oft in föderalen Staaten: Die Hauptstadt ist selten beliebt. Ich weiß nicht, wo da die Ursache liegt, aber ich habe das Gefühl, dass im zentralistischen Frankreich Paris in Rest-Frankreich sehr viel positiver gesehen wird, als Berlin in Rest-Deutschland.
Das wird teilweise historische Gründe haben. In West-Deutschland steht Berlin vor allem für "teuer, aber nice to have". Wahrscheinlich sogar nur für teuer. Berlin ist seit Gründung der Bundesrepublik Nehmerland im Landesfinanzausgleich, wurde jahrzehntelang vom Westen subventioniert. Und diletantische Bauvorhaben wie der BER verfestigen einen ablehnenden Eindruck, "da versickern unsere Steuergelder".
Im Osten steht Berlin nach wie vor für die frühere Staatsmacht der DDR, die "Hauptstadt" war privilegiert, dort saß die verhasste Regierung und der Staatsapparat. Ost-Berlin war in der DDR nicht sonderlich beliebt, West-Berlin in West-Deutschland nicht. Aber auch schon vorher: Preussen war das größte Land im Deutschen Reich, viele Ländereien hatte man sich aber einverleibt. Gerade im Rheinland war man von den Besatzern nicht gerade begeistert (Deswegen auch die Karnevalskostüme und viele rituale, die das preußische Militär persiflieren). In Bayern oder Sachsen, den anderen großen oder möchtegerne-großen Ländern Deutschlands sowie ehemaligen Kriegsfeinden mochte man Preußen auch nicht und alles, was man mit Preußen assoziierte, verband man dann gleich auch mit Berlin. Vergessen wir nicht, dass auch die Nazis hier ihre Hauptstadt hatten.
Historisch also schon eher unbeliebt. Dazu ist Berlin anders als der Rest Deutschlands. Viele Deutsche mögen ja das Großstadtleben - Partys usw., kulturelles Angebot und Co., aber nur zeitweise. Auf Dauer leben die meisten Deutschen eher ruhig und unauffällig, geordnet usw. Und das finden Sie in Berlin nicht. Berlin ist nett zum Besuchen, aber da wohnen... können sich viele nicht vorstellen. Viele die dennoch hier leben (müssen) wollen gerne aber weiter so leben wie in ihrem Heimatdorf, aber die Vorteile der Stadt gerne mitnehmen.
So entwickelt sich aber keine Liebe zur Stadt. Auch weil Berlin, ehrlich gesagt, eher eine herbe Schönheit ist. Ja, Berlin hat schöne Seiten, aber sie erschließen sich nicht sofort bzw. werden Sie gerne von den Schattenseiten verdeckt. Man verliebt sich wohl nicht sofort in Berlin, wenn man die schönen Ecken noch nicht gefunden hat.
Wenn es vielen aber schwerfällt, die Stadt zu lieben, fällt es sicher auch schwer, einen Verein, der diese Stadt repräsentiert zu lieben. Das kann ich schon nachvollziehen. Deswegen hängen viele Zugezogene ihrer alten Heimat nach und dazu gehört auch der alte Verein. Sicher ist Gelsenkirchen, Freiburg, Köln oder Mainz als Stadt nicht attraktiver, als es Berlin ist. Aber diese Städte haben etwas, was Berlin nicht hat. Der SC Freiburg hat das Underdog-Feeling personifiziert. Viele halten zu Underdogs, und die Breisgauer haben daraus eine Marke gemacht. S05 hat das Bergmannsimage verinnerlicht - einer für alle, alle für einen - und es geschafft, dass die "Kumpels" Ihr aus der Arbeit herrührende Wir-Gefühl auf den gemeinsamen Verein übertragen haben. Mainz und Köln haben Ihren Lokalpatriotismus aus dem Karneval herübergerettet und z.B. Bayern oder Dortmund hat v.a. Eventfans.
Mit Kumpel-Image können wir nicht dienen, für Understatement á la Freiburg sind wir bereits zu groß und zumindest die Fans zu anspruchsvoll, Karneval interessiert uns nicht, Lokalpatriotismus existiert bei uns kaum, v.a. durch viele Zugezogene unf für Eventfans sind wir zu erfolglos. Und aus den Emotionen rund um die Wende heraus ein positives Berlinbild und/oder Herthabild zu generieren, haben beide, Stadt und Verein verpasst.
Dazu kommt Mittelmaß, unattraktiver Fußball, unattraktives Stadion sowie Fans, die von außenstehenden wahlweise als größenwahnsinnig und/oder gewalttätig wahrgenommen werden.
HEUTE stehen wir noch vor dem Abgrund-
MORGEN sind wir schon einen Schritt weiter.