Bei uns ist es so: Man darf oder soll alle vier Jahre wählen. Und wenn es einem nicht passt, was die gewählten Politiker entscheiden, dann darf man etwas anderes wählen. Oder sich anderweitig politisch engagieren, denn unser demokratisches System bildet sich nicht nur im Parlament ab, sondern auch durch Eigeninitiative der Bevölkerung. Zum Glück haben wir hier kein System, welches versucht, den wie auch immer gearteten oder gesteuerten "Willen" der Bevölkerung demagogisch oder rousseaulike zu repräsentieren, wie es gerade die Populisten vormachen. Den gibt es nämlich nicht.
Du verwechselst Recht mit Gerechtigkeit, die ein eher subjektives Empfinden ist.Ray hat geschrieben: ↑14.09.2018, 17:34Mit Deiner Sichtweise hätte es 1960 - 1990 keine Entnazifizierung in der BRD gegeben, Frauen stünden immer noch am Herd, Homoliebe wäre strafbar und die Mauer wäre nicht gefallen, ach nee, DDR war ja ein Unrechtsstaat, gegen den darf man ja in Deiner Sicht protestieren.
Die politische Klasse macht was sie will zugunsten von Konzerninteressen, zugunsten von illegalen Immigranten etc. etc.und Du glaubst, dass eine Gerichtsverhandlung hier die allerhöchste Gerechtigkeit ist?
Die Entnazifizierung konnte nach dem Krieg aus verständlichen Gründen nicht vollständig sein. Denn nach totalitären Systemen bleiben wenige Menschen unbefleckt. Zusätzlich sind Millionen getötet worden oder waren in Gefangenschaft. Man kann keinen puren demokratischen Neuanfang unter Besatzungsregime starten, weil dafür dann einfach das Menschenmaterial fehlt und man zumindest Mitläufer integrieren muß. Daß dabei über die Stränge geschlagen wurde und Seilschaften weiter geknüpft wurden - ohne jeden Zweifel. Herausgekommen ist dabei jedoch trotzdem fast ein Wunder. Wir. Das bleibt eine große Leistung.
Generell hat es Jenner schon richtig erklärt. Wir haben glücklicherweise einen Rechtsstaat, der auch Entscheidungen fällt, die einem nicht passen. Dagegen kann es im Rahmen des Systems jederzeit Widerstand geben aus der Gesellschaft, der sich formiert und außerparlamentarische Akzente setzt. Und der kann dann wieder nach einer gewissen Zeit Auswirkungen auf den Rechtsstaat haben. Siehe deine Beispiele. Aber nur so.
Wer am lautesten schreit, bekommt Aufmerksamkeit.
Anscheinend sieht man an diesem aufbrechenden Geschwulst wie in einem Brennglas stillgelegte Bedürfnisse von Teilen unserer Gesellschaft, die nicht bedient wurden. Für die einen sind diese legitim, für die anderen eher unangenehm. Auf jeden Fall sind sie basal und müssen beantwortet werden. Da helfen weder arrogante linke Sprüche noch das Ranwanzen an diese Extrempositionen, wie das auch hier im Forum zum Teil gechieht. Sondern eher ein kühler Kopf und endlich mal eine Regierung, die Probleme nicht nur verwaltet, sondern offensiv angeht. Die jetzige ist es nicht.
Das momentane politisch aufgehetzte Klima, welches sich auch hier spiegelt, kann auch sein gutes haben. Es wird endlich vieles kenntlich, was vorher unter dem Wollpulli der politischen Verhuschtheit verdeckt wurde.
Das heißt aber überhaupt nicht, daß diese rechten Provokateure in irgendeiner Form etwas Zukunftsverheißendes für unsere Gesellschaft versprechen. Ganz im Gegenteil. Sie sind hoffentlich nur ein Katalysator für eine erneute politische Formierung unserer Gesellschaft, die zuletzt im eigenen Sud eher so lau vor sich hin köchelte. Stichwort zeit- und erfolgsbedingte Müdigkeit in der Spätphase der Demokratie. Wenn es gelingt, in der Auseinandersetzung mit Radikalen der Mehrheit der Bevölkerung weiterhin den Glauben an unser größtenteils gutes System zu vermitteln, dann haben die AfD-Fuzzis ebenso wider Willen etwas Gutes für das Land getan wie damals die Grünen.